Juni 2016 (A141) - Auktionsstart: 17.6.2016, 10:30

Auktion abgeschlossen

3234. Nerly, Friederich

(Erfurt 1807–1878 Venedig)
Der Canal Grande in Venedig bei Mondlicht. Öl auf Leinwand. Signiert im Vordergrund rechts unten auf der Steinstufe der Anlegestelle. 46,5x59,5 cm.
- Doubliert, Retouchen im Vordergrund.

Gutachten: Dr. Wolfram Morath-Vogel, Erfurt, April 2016.
Provenienz: Schweizer Privatbesitz.
Das Gemälde habe ich im April 2016 im Original untersucht. Es handelt sich meiner Überzeugung nach um ein eigenhändiges Werk von Friedrich Nerly (1807–1878). Sein venezianisches Notturno zeigt den Blick über den Canal Grande auf Santa Maria della Salute, beiderseits gesäumt von Palästen, unter denen die sowohl von Innen wie auch vom fahlen Mondlicht erleuchtete Fassade des Palazzo Cavalli Franchetti optisch dominiert. Der Standpunkt des Malers ist am Ponte dell' Accademia anzunehmen, unweit seiner Wohnung im Sestiere San Marco, wo Nerly im Palazzo Pisani (heute Sitz des Conservatorio di Musica Benedetto Marcello) am Campo San Stefano Atelier und Wohnung hatte. Die Palastfolge der rechten Seite ist vollständig verschattet und mit der Silhouette des barocken Zentralbaus der Salute bis hin zur Dogana del mar zusammengesehen: Die räumliche Erschließung des Bildmotivs erfolgt im Sinne einer kalkuliert gebremsten Tiefendynamik mittels einer Verkettung von differenziert abschattierten Graustufen bei durchlaufender Silhouettierung. Die tatsächliche Entfernung der die Bildmitte beherrschenden Sakralarchitektur bleibt ahnungshaft-unbestimmt; um diese Wirkung nicht zu gefährden, hat Nerly das Kuppelmotiv auch nicht metrisch exakt auf die Mittelachse fixiert. Die rechts im Vordergrund groß aufragende Silhouette eines venezianischen palo (ein ortsfester Pfahl zum Anlegen der Gondeln) markiert optisch sowohl die Nahtstelle zwischen der Palastfolge rechts und der mittigen Baugruppe als auch den Treffpunkt einer leisen Begebenheit, ganz im Sinne der erzählfreudigen Bilderwelt der Spätromantik: Eine verschleierte Dame wird im Dunkel der Mondnacht zur Gondel begleitet und von einem wartenden Gondoliere abgeholt, was der szenischen Phantasie freie Spielräume eröffnet. Eine halb verdeckte Laterne akzentuiert als künstliche Lichtquelle den tief verschatteten Vordergrund, der auf diese Weise anschaulich in Verbindung steht mit den festlich hinterleuchteten Fenstern des Palazzo Cavalli Franchetti; er könnte das Ziel der die Überfahrt erwartenden Dame sein. Nerly liebt das luminaristische Spiel mit verschiedenen Lichtquellen; seine Nachtstücke kontrastieren oftmals das kühle Licht des Mondes mit dem warmtonigen eines Feuers oder eines von Kerzen erhellten Fensters.
Das architektonische vis-à-vis des vom Mondlicht umspielten Palazzo liegt im Dunkeln und ist nur als reich silhouettierte Baumasse ohne Binnengliederung erkennbar – gleichwohl hat er ein differenziertes Gegenüber in dem die dunklen Palastsilhouetten weit überragenden, still vor Anker liegenden Zweimaster. Die filigrane Zeichnung der Masten und abgetakelten Rahen kontrastiert aufs Schönste der geschlossenen Masse der verschatteten Palastreihe, zugleich korrespondiert sie mit der feinen Binnenzeichnung des Palazzo Cavalli Franchetti. In der Anlage des Gemäldes wird Nerlys bildgebendes Verfahren einer Parataxe von assoziationsstarken Einzelmotiven offensichtlich. So vermittelt das Nebeneinander von Palast, Votivkirche und Segelschiff den "Inbegriff" der Serenissima: ihre märchenhafte Schönheit als Stadt auf dem Wasser, ihre byzantinisch geprägte Sakralität, ihre vormals beherrschende Stellung als Königin der Meere. In der fahlen Fremdheit des Mondlichts, dessen Quelle nicht direkt erscheint, erlangt das Zueinander der Motivgruppen die Erscheinungsqualität einer Fata Morgana – Traum und Wirklichkeit werden ununterscheidbar.
Nerly war offensichtlich fasziniert von der visuellen Majestät einer Perspektive, die das Gefühl ozeanischer Weite des Raumes mit der equilibristischen Erscheinungsruhe der Stadt auf dem Wasser reibungslos verbindet. Wie so oft bei Nerly, lassen sich auch von diesem Sujet etliche Varianten nachweisen; eine eindrucksvolle Tageslicht-Version befindet sich in der Kunsthalle Bremen (Inv. 381-1947/5, vgl. Abb.1), ein in der Staffage abgewandeltes Aquarell im Angermuseum Erfurt (Inv. 3026). Soweit bis heute bekannt, hat Nerly niemals exakt übereinstimmende Fassungen gemalt; es handelt sich jedesmal um Varianten desselben Motivs. Nerly unterhielt, soweit wir wissen, auch keinen Werkstattbetrieb mit Gehilfen; seine originalen Bildideen wurden stets von ihm selber ausgeführt.
Wir danken Dr. W. Morath-Vogel für diesen Katalogeintrag.

Schätzung: CHF 40'000 – 60'000EUR 36'360 – 54'550

Zuschlag: CHF 80'000

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